Der 30. Chaos Communication Congress war ein buntes Treffen von Makern, Netzaktivisten, Old-style-Hackern, DIYern und IT-Sicherheitsspezialexperten, das ganz im Zeichen der Snowden-Leaks stand. Auch wenn Zynismus, Wut und Trotz die gängigen Modi im Umgang mit der Totalüberwachung digitaler Kommunikation sind, überwog in den meisten Vorträgen doch der analytische Blick auf technische, politische und soziokulturelle Folgen der systematischen Grundrechtsverletzung durch staatliche Akteure.
Trotz der großen Vielfalt waren Kontroversen kaum sichtbar. Die Snowden-Enthüllungen haben es schwer gemacht, Datenschutz für gestrig zu erklären und die Abschaffung der Privatsphäre gut zu finden. Die Community wird nicht nur über einen computerzentrierten Lebensstil zusammengehalten. Sie ist sich einig in der Forderung nach Einhaltung von Grundrechten, im Kampf für ein Recht auf Anonymität, um transparente staatliche Institutionen und ein freies Netz. Und die Community weiß, was zu tun ist: offene technische Lösungen für möglichst spurenarme und sichere Kommunikation entwickeln, konstruktiv auf demokratische Entscheidungsprozesse und gesellschaftliche Debatten einwirken und wo das nichts nützt, sich an Protesten zu beteiligen, auch aktionistisch.
Der CCC ist nicht das revolutionäre Subjekt, von dem manche zu träumen scheinen. Er ist das organisatorische Rückgrat eine Community, die meistens still (und leider manchmal auch etwas unkoordiniert), aber beharrlich an ihren Projekten arbeitet. Er bezieht sein öffentliches Gewicht aus der technischen Kompetenz seiner Mitglieder und nicht daraus, dass er meinungsstark auf der Klaviatur der sozialen Medien spielt. Er ist keine straff organisierte NGO und schon gar keine Kaderorganisation. Dieser Einsicht ist es wohl auch zu verdanken, dass Versuche von Interessengruppen, die öffentliche Aufmerksamkeit und das Prestige des CCC für ihre Ziele zu benutzen, in diesem Jahr ausblieben.
Und so sind es auch nicht die Talks mit Glamourfaktor in Saal 1, in denen teilweise mit viel Pathos die Gegenwart und Zukunft des Netzes verhandelt wurde, die diesen Kongress ausgemacht haben, sondern die vielen Assemblies und Workshops, die Lightning Talks und zahlreichen Gespräche in den Lounges. Die meisten Teilnehmer dürften müde, aber mit dem Kopf voller Ideen nach Hause gefahren sein.
Ich habe auch gleich am Anfang einen Vortrag zum Thema „Überwachen und Sprache“ halten dürfen, den man sich hier herunterladen oder hier anschauen kann:
Stefan Schulz hat für die FAZ einen schönen Artikel über meinen Vortrag geschrieben, der vieles klarer formuliert als es mir möglich war. Heise hat dem Thema einen Spin gegegeben, der von mir nicht intendiert ist. Und der Deutschlandfunk geht in seinem Bericht weiter als ich in seiner Interpretation meines Vortrags. Und Al Jazeera hat einen kurzen O-Ton von mir eingeholt:
Einige inhaltliche Klarstellungen zu meinem Vortrag liegen mir am Herzen:
- Die „Software“, die in meinem Vortrag vorkommt, existiert nicht und ist natürlich rein fiktional.
- Ich habe nicht gesagt, dass Fefe oder Don Alphonso die radikalsten Blogger im ganzen Land sind. Die präsentierten Berechnungen dienten lediglich dazu, die Methoden zu illustrieren und zu verdeutlichen, dass die Zuschreibung von Kategorien wie „Gefährder/in“ oder „Radikale/r“ auf der Basis von Theorien und Methoden erfolgt, die sich nicht rechtfertigen müssen.
- Ich analysiere keine Wortwolken, wie der Deutschlandfunk in seinem Bericht über meinen Vortrag erklärte, sondern Kollokationsgraphen im Sinne der visual analytics. Die Metapher der Wortwolke ist in diesem Kontext etwas irreführend.
- Ich gehöre natürlich auch nicht zum „Schwarzen Block des CCC“, wie ein Mitglied von seniorentreff.de mutmaßt, ich hatte nur einen schwarzen Kapuzenpullover an (aber ansonsten Bluejeans und beige Chucks…).
Und dann war auch noch Promi-Gucken angesagt: Einmal habe ich hinter Andi Müller-Maguhn in der Schlange gestanden, bin neben Fefe die Treppe runtergelaufen und mit Constanze Kurz Aufzug gefahren. Außerdem konnte ich Marcus Richter und Tim Pritlove in Aktion erleben, deren Stimme mir viele Zugfahrten in der Tokyoter Rushhour erträglich gemacht haben. Ein großer Dank an alle Organisatorinnen und Organisatoren und an die Scharen von Engeln, die diesen Kongress möglich gemacht haben! Bis nächstes Jahr!