Die Buchlesemaschine des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Liebe Freunde der Sicherheit,

Lesen bildet zwar, aber in Zeiten der Digitalisierung kann Lesen viel effizienter durch Automaten erledigt werden. Dass unsere Dienste auch hier an der Spitze der technologischen Entwicklung stehen, belegt ein Dokument, auf das mich ein Kollege aufmerksam gemacht hat. In der 29. Sitzung des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 13. September 2012 spielte ein offenbar im Selbstverlag publiziertes Buch eine Rolle.

Scanroboter im Digitalisierungszentrum der SLUB

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In diesem 2004 erschienenen Buch, das von einer Person verfasst wurde, die sich dem Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg vorher bereits als Informant andiente, tauchte neben Referenzen auf eine rechtsterroristische Zelle namens NSU auch der Name eines Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg auf. Die Aussage dieses LfV-Beamten, Günter Stengel, bringt es ans Tageslicht: Das Bundesamt für Verfassungsschutz digitalisiert Schriften und durchsucht sie nach „Begriffen“. Darunter sind einerseits die Arbeitsnamen von Mitarbeitern, aber offenbar auch Schlagwörter. Hier Ausschnitte des Wortlautprotokolls:


Clemens Binninger (CDU/CSU): Woher haben Sie denn erfahren, dass der ein Buch publiziert oder ein Buch schreibt und das an Gott und die Welt schickt? Woher haben Sie das dann erfahren?

Zeuge Günter Stengel: Ich glaube, das habe ich vom BfV erfahren. Die haben so eine Buchlesemaschine auf bestimmte Wörter. Da war Arbeitsname – so ist es rausgekommen — war mein Arbeitsname dabei.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Ach, die sichten die Bücher, ob in Büchern irgendwas über LfV-Leute oder BfV-Leute steht?

Zeuge Günter Stengel: Wahrscheinlich hat er sich dorthin auch gewandt, an diese Stelle, und irgendeine Dienststelle hat das Buch dann von ihm zugeschickt bekommen. Ich weiß noch, dass dann ein Schreiben kam: Hier ist schon wieder ein Vermerk von diesem Stauffenberg, ein Buch geschrieben, und Sie vom LfV Baden-Württemberg sind persönlich genannt.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Aber so was müsste doch auch irgendwo in den Akten des LfV zu finden sein. Also, jetzt sind wir ja in einem anderen offiziellen Vorgang. Quasi zum Eigenschutz der Behörde werden Bücher im Prinzip durchgeguckt: Wird irgendwo einer unserer Mitarbeiter enttarnt? Sie haben ja alle Arbeitsnamen, sind zwar keine V-Leute, aber haben Arbeitsnamen. Wenn das der Fall ist, gibt es eine kurze Meldung an das jeweilige Landesamt: Achtung, in diesem oder jenen Buch wird Herr oder Frau XY genannt. – Ist so das Verfahren?

Zeuge Günter Stengel: Ja, so muss das gewesen sein. Ich weiß, dass in dem Buch – – Es sind auch viele Politikernamen genannt worden und LfV Baden-Württemberg. Er schreibt dann, was ich damals zu einer be- stimmten Sache angeblich geredet habe, und dann hat er sich an den MAD gewandt, und der hätte gar das Gegenteil von mir gesagt. […]

Clemens Binninger (CDU/CSU): Gut. Wir haben ja nachher noch jemanden da, der sich mit den normalen Arbeitsabläufen eigentlich am besten auskennen müsste. Den können wir ja dann auch noch mal fragen, ob es da ein eingespieltes Verfahren gibt, wie mit solchen Verdachtshinweisen oder – – „Verdacht“ ist falsch – aber so Enttarnungshinweisen oder -gefahren umgegangen wird, ob es so ein standardisiertes Verfahren gibt und Sie dann benachrichtigt werden. Titel hat man Ihnen nie gesagt. Können Sie sich auch nicht erinnern?

Zeuge Günter Stengel: Nein. Im Gegensatz zu anderen Begriffen ist mir das nicht im Gedächtnis geblieben.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Werden dann solche Bücher asserviert? Ich meine, die Behörden heben ja im Zweifel alles auf, was nur irgendwie ein bisschen relevant ist. Oder meinen Sie, gescannt und gelesen, dann weggeschmissen?

Zeuge Günter Stengel: Das weiß ich nicht.

Clemens Binninger (CDU/CSU): Wissen Sie nicht.

Zeuge Günter Stengel: Kann ich nichts dazu sagen.


Quelle: Stenografisches Protokoll der 29. Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses am Donnerstag, dem 13. September 2012, 10 Uhr Paul-Löbe-Haus, Berlin, S. 92f.


Ich freue mich natürlich, dass auch das BfV seinen Beitrag dazu leistet, dass die Digitalisierung unserer Bucharchive nicht allein in der Hand amerikanischer Großkonzernen wie Google liegt.


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