„Sicherheit“ ist eines jener politischen Schlagwörter, die in fast allen Verwendungskontexten positiv konnotiert sind: ein Mirandum. Keine Partei kann ernsthaft gegen Sicherheit sein, so wie keine Partei es sich erlauben kann, gegen soziale Gerechtigkeit oder Freiheit zu politisieren. Gerade deshalb kann die Vokabel der Sicherheit aber dazu benutzt werden, um in ihrem Namen politisch umstrittene Maßnahmen zu rechtfertigen. Wie viele politischen Schlagwörter ist „Sicherheit“ semantisch unterbestimmt und offen für viele Verwendungsweisen. Entsprechend wird der Begriff der Sicherheit von den Parteien in Deutschland unterschiedlich oft und je nach Partei in unterschiedlichen Kontexten schwerpunktmäßig verwendet.
Die folgende Grafik zeigt, dass insbesondere Parteien, die sich das Eintreten für Bürgerrechte auf die Fahnen geschrieben haben, das Lemma „Sicherheit“ und seine Derivate besonders häufig verwendet werden. Die Grafik zeigt die relative Frequenz je 10.000 Wörter in den Pressemitteilungen der Jahre 2005-2009. An der Spitze liegen die Grünen mit durchschnittlich 12,3 Referenzen auf Sicherheit je 10.000 Wörter, gefolgt von der FDP mit 11,1. Am Ende des Rankings finden sich mit weitem Abstand die SPD und überraschenderweise die rechtsextreme NPD.
Trotz der relativen hohen Frequenz der Verwendung des Wortes bei den GRÜNEN ist der Gebrauch auf wenige Verwendungskontexte beschränkt: auf das Spannungsfeld von Sicherheit auf der einen und Bürgerrechten und Freiheit auf der anderen, auf die (mangelnde) Sicherheit der Atomenergie und damit zusammenhängend der Ausbau alternativer Energien und schließlich den Schutz von Familien, Verbrauchern, aber auch des geistigen Eigentums. Dies illustriert die folgende Abbildung. Sie zeigt jene Wörter, die besonders häufig zusammen mit dem Wort „Sicherheit“ verwendet werden.
Die SPD benutzt „Sicherheit“ dagegen dominant im Kontext sozialer Themen. Dies illustriert das unten stehende Kollokagramm zum Lemma „Sicherheit“. Der Schutz der „guten“ Arbeit und die Sicherheit von Arbeitsplätzen in Zeiten der Globalisierung sind demnach das zentrale Thema der SPD. Sicherheit ist ein Wert, der den Menschen ein Stück Würde gibt. Die so verstandene Sicherheit ist zwar nicht direkt mit (sozialer) Gerechtigkeit verknüpft, aber dennoch mit ihr über andere zentrale Begriffe assoziiert. Das Wortnetz zeigt überdies sehr schön, wie die SPD die Menschen im Spannungsfeld von Sicherheit, Freiheit und (starkem) Staat verortet.
Auch bei der FDP finden sich die Menschen, die stets als „Bürger“ bezeichnet werden, im Kräftefeld von Freiheit, Sicherheit und Staat wieder. Doch fehlt dem Staat im Unterschied zur SPD das Atrribut „stark“. Der Staat der FDP gewährleistet die Versorgungssicherheit und schützt die Freiheit. Die soziale Sicherheit ist nur ein Aspekt von Sicherheit. In ihr tritt neben die insgesamt marginaler platzierte soziale Gerechtigkeit auch die Leistungsgerechtigkeit. Der Sicherheitsbegriff der FDP hat zudem auch eine starke sicherheitspolitische Dimension: nach Innen mit der Polizei, nach außen mit der Bundeswehr, wobei dei europäischen und transatlantischen Allianzen betont werden.
Bei der CDU verweist die Verwendung des Lemmas „Sicherheit“ auf eine starke Affinität zu den Politikfeldern innere und äußere Sicherheit. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und die Sicherung von Frieden, Freiheit und Menschenrechten im europäischen Kontext bilden einen wichtigen Assoziationskomplex. Daneben ist der Sicherheitsbegriff der CDU auch mit sozialpolitischen Themen verbunden, wobei die Sicherheit des sozialen Netzes und der sozialen Sicherungssysteme im Zentrum stehen. Ein Alleinstellungsmerkmal bei der CDU ist die häufige Referenz auf die Sicherheit der Kernkraftwerke und damit gekoppelt der Energieversorgung.
Bei der Partei „Die Linke“ (PDL) lassen sich drei Dimensionen des Sicherheitsbegriffs identifizieren: eine sozialpolitische (soziale Sicherheit und Teilhabe), eine auf die Grundwerte bezogene (Spannungsfeld von Sicherheit, Freiheit und Bürgerrechten) und eine militärische, die freilich kritisch gewertet wird.
Die NPD ist die einzige Partei, bei der Sicherheit und Kriminalität ein hochfrequent assoziiert sind. Daneben werden Sicherheit und nationale Identät und Eigeninteressen in einen semantischen Zusammenhang gebracht. Die große Nähe der Lemmata „deutsch“, „Volk“ und „NPD“ zeigt, wie sehr in der braunen Ideologie Partei und Volk Ineinsgesetzt werden.
Für dieses Blogs ist das bei mehreren Parteien sichtbar werdende Spannungsfeld von Sicherheit und Grundrechten wie Freiheit oder informationelle Selbstbestimmung das zentrale Thema. Dennoch sollen die Verbindungen zu den anderen Themenbereichen nicht aus den Augen verloren werden. Denn sie sind die argumentativen Quellen für die Verschiebungen im Wertefeld, die wir in den vergangenen Jahren beobachten mussten.